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Churchill konnte Kommunikation

Aktualisiert: 5. Mai 2024

Über die Schwierigkeiten einer Managementdisziplin, die nie so wichtig war wie heute





Die Lehrerin fragt: „Wo wurde der Friedensvertrag von 1919 unterschrieben?“ Anna meldet sich: „Unten rechts!“ Die Antwort ist richtig, weil die Frage unkonkret war. Die Lehrerin hätte nach der Stadt fragen müssen, in der der Vertrag unterzeichnet worden war.


Kürzlich joggte ich mit einem Freund durch einen Wald. Plötzlich sagte er: „Lass‘ uns umkehren, mir reicht’s bis hierher.“ Also drehte ich auf der Stelle um. Er aber lief noch 20 Meter weiter in einen kleinen Weg, der um ein paar Bäume verlief und wieder auf unseren Waldweg mündete. Er hatte also die Wende nicht so gemeint, wie ich verstanden hatte. Auch hier hätte eine präzise #Kommunikation das #Missverständnis vermieden: „Lass‘ uns da vorn über den kleinen Weg laufen und wenden.“


Das sind Beispiele für kleine Missverständnisse, die entstehen, weil nachlässig formuliert wird. Um es mit Mark Twain zu sagen: „Der Unterschied zwischen dem richtigen und dem beinahe richtigen Wort ist der zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen.“


Die Wirtschaftswelt ist von unpräziser Kommunikation durchdrungen – mit bisweilen fatalen Folgen. Wenn der Vorgesetzte zu seinem Mitarbeiter nur sagt: „Machen Sie das bitte so schnell wie möglich fertig“, wird er andere Ergebnisse erhalten, als wenn er klare Vorgaben macht: „Ich hätte gern, dass Sie folgendermaßen vorgehen: erstens…, zweitens…, drittens…, viertens. Bitte legen Sie mir die Ergebnisse morgen um 16 Uhr in meinem Büro vor. Dann können wir darüber sprechen.“ Das sind deutlich klarere Ansagen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Missverständnissen kommt, erheblich geringer sein wird, als bei allgemeinen Ansagen wie bei dem vorherigen Beispiel.


Was ist der Unterschied zwischen dem richtigen und dem beinahe richtigen Wort?


Schon diese Fälle dokumentieren: Eine zielführende Kommunikation sollte verständlich sein und Missinterpretationen vermeiden. Um diese Ziele zu erreichen, braucht der Sender Empathie für den Empfänger – er muss dessen Vorwissen, Situation und Einstellung zum jeweiligen Thema der Botschaft antizipieren. Das tun wir intuitiv. Aber oft sind wir trotzdem nachlässig in der Formulierung unserer Wünsche und setzen zu viel voraus beim Adressaten. 

 „Ich musste zur Bushaltestelle laufen“ ist ein Satz, der in unterschiedlichen Regionen Deutschlands anders wahrgenommen wird. Denn es wird nicht deutlich, ob der Sprecher gerannt oder gegangen ist. Deshalb ist das „Laufen“ zur Bushaltestelle missverständlich und gehört entsprechend auf den Index für unbrauchbare Beschreibungen.

Eine unmissverständliche Kommunikation ist ein Erfolgskriterium für Organisationen

Verschärft werden derartige Missverständnisse im internationalen Kontext. Für einen #Unternehmensfilm hatte ich dem britischen Auftraggeber einmal ein #Treatment geschrieben, in dem ich von einem „conflict“ zweier Handelnder schrieb. Ich meinte dabei, dass beide Parteien ihre Positionen verdeutlichen sollten und man ihre unterschiedlichen Perspektiven dadurch verstehen lernte. Die Formulierung kam aber in England ganz anders an. Man solle tunlichst jede Art des „conflicts“ vermeiden, war die unmissverständliche Ansage.


Das einfache Kommunikationsmodell von Sender, Botschaft und Empfänger ist lange wiederlegt. Viele Aspekte spielen stattdessen zusätzliche Rollen für das Verständnis und die Wirkung von kommunikativen Inhalten, beispielsweise die Beziehung zwischen Sender und Empfänger, die Zustände von beiden in der Kommunikationssituation, die Sozialisation der Teilnehmenden, manche persönlichen Eigenheiten und ihre Beziehung zum Kommunikationsinhalt.


In jeder Organisation ist eine unmissverständliche Kommunikation ein Erfolgskriterium. Heute mehr denn je. Dazu gehört, dass die Führung klare Vorgaben macht hinsichtlich ihrer #Ziele und Visionen. Direkt danach sollte sie verdeutlichen, welche Aktivitäten nötig sind, um diese Ziele zu erreichen und was sie von wem erwartet, um die entsprechenden Maßnahmen voranzubringen und zum Erfolg zu führen.


Wenn die Beschäftigten genau wissen, warum was zu tun ist, werden sie zu Agenten der Organisation


Alle Betroffenen sollten also wissen, was auf sie zukommt und was erwartet wird. Wenn die Zuhörer solcher Reden dem Kopf der Organisation Recht geben und überzeugt sind von den Zielen und den entsprechenden Maßnahmen, also dem Weg dorthin, dann entsteht so etwas wie eine Mission und ein Korpsgeist. Die Beschäftigten wissen, wie die Zukunft ihrer Organisation gesichert wird, welchen Anteil sie selbst daran haben werden und was zu tun ist. Sie werden zu Agenten ihres Arbeitgebers und seiner Marken, Produkte, Dienste und Menschen.


Eine solche Art von Kommunikation verpflichtet. Denn wenn die ausgegebenen Ziele und die Maßnahmen in der vorgegebenen Zeit nicht erreicht werden, muss sich der Kopf der Organisation dafür verantworten und wieder Zeugnis ablegen, woran es lag, inwieweit die Ziele justiert werden müssen und was die Organisation daraus gelernt hat. Er kann folglich legitimieren, warum er der Richtige an der Spitze ist, obwohl er seine Ziele nicht erreicht hat.

Ein berühmtes Beispiel für eine Zielsetzung und eine Forderung an die Zuhörer für die Richtigkeit und die harten Maßnahmen einzutreten und alles für die Erreichung des ausgegebenen Ergebnisses zu tun, ist Winston #Churchills Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede vom 13. Mai 1940 vor dem britischen Unterhaus. Die Ansprache mitten im Zweiten Weltkrieg hielt er drei Tage nach seiner Ernennung zum Premierminister. Darin schwor er sein Volk ein auf einen langen und harten Krieg gegen Deutschland. Er machte deutlich, dass es viele Opfer geben werde und dass enorme Anstrengungen nötig sein werden, um den Krieg gegen den starken Aggressor zu gewinnen. Churchill unterschied sich grundlegend von heutigen #Politikern, die Schwierigkeiten oft kleinreden oder bestreiten: Er war schonungslos ehrlich zu seinem Volk. Er beschrieb den Ernst der Lage und die Entbehrungen, die vor den Menschen lagen.


Vor allem deshalb war er erfolgreich. Die Menschen vertrauten dem alten gebückten Mann, weil er nicht nur Entscheidungen und Meinungen formulierte, sondern sofort die unangenehmen Konsequenzen seines Tuns ergänzte. Er forderte viel von seinem Volk und versprach wenig. All das beförderte seine nationale und internationale Reputation sowie den Mythos Churchill.


Die Chancen und Gefahren für Unternehmen steigen, weil heute jeder Millionen Menschen erreichen kann


Nicht ohne Grund gibt es in der Wirtschaft einen Wechsel in der Struktur der Kommunikation. Die #Shareholder-Value-Kommunikation wird abgelöst durch die #Stakeholder-Kommunikation. Das bedeutet: Nicht mehr nur die Anteilseigner, die Aktionäre, die Kunden und die potenziellen Neukunden sollen angesprochen werden. Vielmehr geht es zunehmend darum, alle Anspruchsgruppen zu überzeugen. Dazu zählen beispielsweise auch die Beschäftigten, die Nachbarn und Kommunen von Produktionsstätten und Standorten, die Medien und die Öffentlichkeit, die Lieferanten, regionale Politiker und deutsche und europäische Gesetzgeber, Bewerber, der Wettbewerb, #Betriebsräte und #Gewerkschaften, #Initiativen und #Nichtregierungsorganisationen, Influencer und Kritiker. 


In der Zeit der Digitalisierung, in der es kaum noch Geheimnisse gibt und jeder Bürger, wenn er es geschickt anstellt, Millionen Menschen erreichen kann, sollten all diese #Stakeholder ernst genommen werden. Denn sowohl die Chancen als auch die Gefahren für die Wirtschaft steigen durch die technischen Kommunikationsmöglichkeiten der Menschen.


Das haben Unternehmen erkannt. Nun wird es für sie darum gehen, ein #Reputationsmanagement, das Bereiche wie #Unternehmenskommunikation, #Marketing, #Arbeitgebermarke, #Unternehmenskultur und #Strategie umfasst, in ihrer ersten Führungsebene zu etablieren, z.B. mit einem Geschäftsführungsmitglied als Chief Reputation Officer.


Herzliche Grüße, Ihr


Matthias Michael, Geschäftsführer von Michael & Stiegler

 
 
 

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